Anonymous Collages

  • ohne Titel, ca. 1870, Collage, Fotografie, Mischtechnik, 29 x 24 cm
  • ohne Titel, ca. 1870, Collage, Fotografie, Mischtechnik, 29 x 24 cm
  • ohne Titel, ca. 1870, Collage, Fotografie, Mischtechnik, 29 x 24 cm
  • ohne Titel, ca. 1870, Collage, Fotografie, Mischtechnik, 29 x 24 cm
  • ohne Titel, ca. 1870, Collage, Fotografie, Mischtechnik, 29 x 24 cm
  • ohne Titel, ca. 1870, Collage, Fotografie, Mischtechnik, 29 x 24 cm
  • ohne Titel, ca. 1870, Collage, Fotografie, Mischtechnik, 24 x 29 cm
  • ohne Titel, ca. 1870, Collage, Fotografie, Mischtechnik, 29 x 24 cm
  • ohne Titel, ca. 1870, Collage, Fotografie, Mischtechnik, 24 x 29 cm
  • ohne Titel, ca. 1870, Collage, Fotografie, Mischtechnik, 29 x 24 cm
  • ohne Titel, ca. 1870, Collage, Fotografie, Mischtechnik, 24 x 29 cm

Fotocollagen aus dem 19. Jahrhundert

Anfang der 1990er Jahre wurde ein Album mit ungefähr 50 doppelseitigen Fotocollagen in Frankreich gefunden. Aufgrund der fotografischen Technik, der Kleidung und der Frisuren der dargestellten Personen wird das Album auf circa 1860-1870 datiert. Auf einer der Fotografien ist die Zeitung „La Lyonnaise“ zu sehen, was vermuten lässt, dass die Arbeiten aus Lyon stammen. Das Album wurde bereits vor vielen Jahren aufgelöst und einige der Arbeiten befinden sich heute in verschiedenen Privat- und Museumssammlungen wie z. B. der Sammlung des Musée d'Orsay. Der Verfasser des Albums ist bis dato anonym geblieben. Ein Auszug aus dem Album wurde 1993 zusammen mit den Arbeiten von Hanne Darboven veröffentlicht.

Mit der Entwicklung der Fotografie auf Papier zeigen sich auch die ersten Manipulationen des Bildes, wie etwa durch die Beschneidung des Negativs, die Doppelbelichtung und Überbelichtung (z.B. in der Geisterfotografie), sowie durch die Technik der Collage. Ab Ende der 1850er werden hier verschiedenste Materialen mit dem Fotoabzug kombiniert (z.B. beschnittenes Papier, Aquarell, Stoffstücke oder Spitze) und gerne von den Damen der viktorianischen Oberschicht, oft mit spielerischen und fantastischen Elementen, in der Verzierung und Gestaltung von Familien- und Freundschaftsalben verwendet.

Diese gängige Techniken lassen sich auch im Album wiederfinden. Allerdings ist dieses vom Sujet her deutlich anders geprägt: die Fotocollagen von Frauen auf dem Scheiterhaufen oder vor- bzw. nach der Enthauptung geben den Gewaltfantasien ihres Autors freien Lauf und können einen sexualisierter Unterton in den Arbeiten kaum verbergen. Die technische Virtuosität der Arbeiten lässt die Hand eines erprobten kommerziellen Fotografen vermuten, der sowohl Zugang hatte zu Kameravorrichtungen und einem Aufnahmestudio, wie auch Kontakt zu weiblichen Modellen pflegen konnte, die er sich in dieser außergewöhnlichen Arbeit zu eigen macht ohne, dass diese ahnen können was mit ihren Portraits genau geschehen wird. Das Kollagen sind in dieser Hinsicht einzigartig und eigenwillig zugleich.

Einzelne Blätter des Albums ähneln „Tableaus Vivants“ und sind in ihrer Komposition stark vom Theater beeinflusst. Sie zeugen darüber hinaus in ihrem wiederholten Zitieren von Kunstwerken und klassischen Posen von eindeutigen bildnerisch-künstlerischen Kenntnissen: Märtyrer- sowie auch Enthauptungsdarstellungen aus der Malerei dienen dem Autor der Collagen deutlich als Vorbild. So erkennt man inhaltliche wie auch formelle Parallelen mit Gemälden von Paul Delaroche, wie etwa sein schon damals berühmtes Bild von Lady Janes Grays Enthauptung (1833) oder seine Darstellung der Herodias mit dem Kopf Johannes des Täufers (1843).

Aber auch der Fall des sogenannten „Hausmädchenmörders von Montiuel“ mag die Fantasie des Fotografen erregt haben: Martin Dumollard hatte zwischen 1855 und 1861 in der Nähe von Lyon zahlreiche junge Frauen ermordet, wobei ihm seine Ehefrau behilflich gewesen sein soll. Der Fall wurde damals zum Medienphänomen und regte die kollektive Fantasie der Öffentlichkeit über die Grenzen Frankreichs hinaus an.